Lone Scherfig, Italienisch für Anfänger, 2000
Die dänische Regisseurin Lone Scherfig (1959 geboren)
debütierte bereits 1990 mit „Die Geburtstagsreise“ und drehte in den
Folgejahren u.a. auch in englischer Sprache (z.B. 2002 „Willbur wants to kill
himself“). Mit ihren Filmen hat sie sich in die Dogma-Bewegung eingeschrieben,
die sich in die Tradition der Nouvelle Vague der sechziger Jahre stellte und
sich von kommerziellen Interessen und perfektionierten Produktionsprozessen
abgrenzte, um sich künstlerisch befreien zu können. Begründer der
Dogma-Bewegung waren u.a. die Regisseure Lars von Trier („Die Idioten“) und
Thomas Vinterberg („Das Fest“). 2001 erhielt Lone Scherfig für ihren Film Italienische
für Anfänger den Silbernen Bär auf der Berlinale. Scherfigs Film aus dem
Jahre 2000 historisiert jedoch bereits die Dogma-Bewegung, indem zugleich zu
Beginn des Films das eingerahmte Zertifikat „Dogma No. 5“ zu sehen ist. Mit
diesem nur kleinen Hinweise wird klargestellt: Plausibilität und Authentizität,
Originalschau-plätze, die ausschließliche Verwendung von Handkameras, Verzicht
auf technische Effekte wie Filter oder künstliche Beleuchtung u.v.m. wie sie
von der Dogma-Bewegung zum Maßstab ihrer Filme erhoben wurden, werden durch
diese filmische Autoreferentialität bereits, wenn nicht ausgehebelt, so
zumindest aufgelockert. So scheint dieser Film eine Befreiung von der Befreiung
zu sein, der sich nur wenige Jahre später auch die Begründer der
Dogma-95-Bewegung anschließen als sie beschließen, ihre Ideen teilweise fallen
zu lassen.
Befreiung ist jedoch nicht nur ein wichtiges formales
Stichwort, sondern treibt auch die Figuren des Films an, die sich zufällig
begegnen und dennoch verbunden zu sein scheinen durch die Sehnsucht nach
Italien. Die Figuren verbindet aber auch noch etwas anderes und das ist so
offensichtlich, dass es zuweilen etwas zu konstruiert wirkt oder anders gesagt,
nicht so authentisch wie es eigentlich sein möchte: alle Figuren sind gefangen
von ihren privaten Sorgen und Pflichten, ihren emotionalen Verzichten und
unbefriedigten Bedürfnissen. An allen Ecken fehlt es an Liebe und Wärme, die
diese Menschen im Sprachkurs Italienisch für Anfänger in der Volkshochschule
irgendwie suchen, um sich zu befreien und in der Zweckgemeinschaft bald finden.
Sei es die Bäckereiverkäuferin Olympia, die sich jeden Abend um ihren Vater
kümmert, der sie niedermacht und ihre jedes Selbstbewusstsein nimmt; Sei es die
Friseurin Karin, die ihre Kundschaft verliert, weil ihre alkoholkranke Mutter
unerwartet und in schlechtester Verfassung in den Laden hereinplatzt; Sei es der
sehr unfreundliche, fast jähzornige Kellner Hal-Finn, der impotente
Hotelangestellte Jorgen oder der junge Pastor Andreas, der viel zu unsicher für
einen Menschen ist, der anderen Halt und Hoffnung schenken sollte. Wenngleich
also der Film nicht ganz frei von Klischees ist – eben jener Italiensehnsucht
einsamer, in der Kälte des sozialen Umfelds frierender Vorstädter oder der
titelgebende Sprachkurs „Italienisch für Anfänger“ oder das „O sole mio“, das
am Ende des Films ins Venedig gesungen und gehört wird – so ist die story des
Films unterhaltsam. Der Film ist damit sehr wohl eine gute und durchaus
authentische Alternative zu manchen Filmeinstellungen einiger Abendfilme
des deutschen Fernsehens, in denen Pasta im Landhaus gegessen wird oder
begleitet vom aktuellen Sommerhit Motorinifahrten die Küste entlang gezeigt
werden, während im niemals unterbrochenen Sonnenschein überall in Italien
Deutsch gesprochen wird. Mag Scherfigs Film also auch ein Klischee beschreiben,
so ist das Klischee nicht ohne Grund ein Klischee: Ich weiß nicht, wann, wo und
warum meine Italiensehnsucht begonnen hat, aber ich weiß, dass auch ich
irgendwann entschied, einen Sprachkurs „Italienisch für Anfänger“ in der
Volkshochschule zu machen und als ich einen zweiten Sprachkurs in Rom erlebte,
stimmte einer meiner Mitschüler „O sole mio“ an, einfach so eben.
Der Film „Italienische für Anfänger“ von Lone Scherfig
ist u.a. in der Arthaus Collection (vom Kultur Spiegel herausgegeben) in der
Reihe „Skandinavisches Kino“ (Nr. 10) erschienen: Nicht nur macht die
Covergestaltung Lust auf den Film, sondern unterhält und informiert auch das
innen liegende Beiheft verlässlich über Filminhalt und Regisseurin.
Überzeugend! Ein guter Grund auf diesem Blog auch eine dänische Regisseurin zu
präsentieren, der sich primär deutschen und italienischen Werken zuwendet.
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